Liebe weihnachtliche Gemeinde,
Zucker, Vanillezucker, Milch, Hefe, Mehl, Zimt, Kardamom, Muskat, Salz, Eier, Butter, Orangeat, Rosinen, Mandeln, Marzipan. Das alles braucht man zum Backen eines Christstollens. Vor 550 Jahren, im Jahr 1474, wurde er erstmals urkundlich in Dresden erwähnt.
Der Christstollen wird gerne an Weihnachten gegessen – aus ganz vielen Gründen.
Zunächst ist da die Tradition, man könnte auch sagen: Nostalgie. Er weckt Erinnerungen an die Kindheit, die Familie und festliche Feiern.
Dann wird der reiche Geschmack geliebt: Die Zutaten Rosinen, Mandeln, Marzipan, Zitronat, Orangeat und Gewürzen sorgen für ein besonderes Geschmackserlebnis.
Der Stollen ist auch lange haltbar, was ihn als Geschenk beliebt macht.
Und – es gibt so viele verschiedene Variationen: mit Marzipan, oder mit Mohn (naja, hier in Korea ist Mohn nicht so leicht zu finden) oder als Butterstollen – für jeden ist etwas dabei.
Viele Menschen schätzen auch die traditionelle Handwerkskunst und die Liebe zum Detail, die in die Herstellung eines hochwertigen Stollens einfließen.
Der Stollen heißt aber nicht nur deswegen Christstollen, weil er gerne an Weihnachten gegessen wird. Er hat eine hohe symbolische Verbindung zu Jesus Christus.
Der Christstollen hat seinen Ursprung im Mittelalter und war ursprünglich ein Fastengebäck, da er in der Adventszeit ohne Butter und Milch zubereitet wurde. Die Adventszeit war früher eine Fastenzeit. Erst durch die sogenannte „Buttererlaubnis“ von Papst Innozenz VIII. (1491) wurde es möglich, Stollen mit Butter zu backen, was ihn feierlicher machte und dadurch bekam er seinen Platz an Weihnachten, also am Festtag selbst.
Die Form erinnert an das Kind in der Krippe, das in weiße Tücher gewickelt ist – daher die Puderzuckerschicht.
Das Marzipan im Inneren steht für die Süße und Kostbarkeit der Geburt Christi. Marzipan war früher eine exklusive Zutat, die sich nur wenige leisten konnten – und das wurde – ähnlich wie die Geburt Jesu – als besonderes Geschenk Gottes verstanden. Ich erinnere mich noch gut an meine Kindheit, an den Tag nämlich, als ich einen kleinen Stollen geschenkt bekam, und dann stellte sich heraus, dass da überhaupt kein Marzipan drin war. Was für eine Enttäuschung!
Wir Menschen brauchen sinnliche Erfahrungen, um uns dem zu nähern, was nicht so leicht zu verstehen ist. Der Genuss eines Stollens hilft uns dabei. Er lenkt auch ein bisschen ab von den Problemen, mit denen wir konfrontiert sind.
Das wird gerade an diesem Weihnachtsfest deutlich.
Weihnachten ist ja ein Fest, an dem wir meistens gerne und manchmal auch etwas zwanghaft Geschenke verteilen. Wir bauen Verbindungen auf, wir stärken die Gemeinschaft – und als Gemeinschaft brauchen wir das Gefühl, dass wir zusammengehören, vor allem wenn es drauf an kommt.
Davon können wir hier in Korea alle ein Lied singen. Seit drei Wochen ist emotionaler Ausnahmezustand, auch wenn das Kriegsrecht nach sechs Stunden wieder aufgehoben wurde. Ich habe großen Respekt vor der Leistung der Menschen hier in Korea, die das Parlament und damit die Demokratie geschützt haben. Da gibt es etwas, das verbindet – und diese Verbindung hat sich bewährt. Das kann gar nicht hoch genug geschätzt werden.
Diese Erfahrung, die Rettung der Demokratie, das Einstehen für die Werte und für Frieden und Freiheit, diese Erfahrung hat sogar sehr viel mit Weihnachten zu tun.
Denn an Weihnachten feiern wir, dass jemand für uns einsteht. Jemand, dem nicht nur sehr viel, sondern alles an uns liegt. Jemand, den wir zu Recht als Messias, als Retter verehren. Jesus Christus ist der, der uns mit seinem Evangelium gezeigt hat, worauf es ankommt. Egal welches der vier Evangelien wir aufschlagen – die Botschaft ist immer die vom Reich Gottes. Und dieses Reich Gottes ist ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit und der Gleichheit aller Menschen. Allein die Bergpredigt zeigt uns mit mehr als klaren Worten, dass wir aufrecht und mit Entschiedenheit allem entgegentreten sollen, ja entgegentreten müssen, was diesen Werten widerspricht.
Gegen Ungerechtigkeit, gegen Verleumdung, gegen Kriegstreiberei gilt es aufzustehen.
Bei den ganz großen Themen können wir das auch gut einsehen. Und wir sollten das übertragen auf unsere kleinen und großen Streitereien und auch Gemeinheiten, die wir einander zumuten. Die Friedensbotschaft von Weihnachten ist eine gute Inspiration, von einem Gegeneinander, das wir so oft erleben, zumindest zu einem Nebeneinander zu kommen. Nebeneinander heißt: Ich muss den anderen nicht mögen, aber ich lasse ihn zumindest in Frieden und kämpfe nicht gegen ihn. Das wäre ein guter Anfang und würde viel Ruhe in unser Leben bringen. Vom Gegeneinander zum Nebeneinander braucht meistens ein bisschen Zeit.
Und manchmal gelingt es sogar, von einem Nebeneinander zu einem Miteinander zu kommen. Miteinander heißt im westlichen Kontext auch, dass man sich wieder in die Augen schauen kann. Hier in Korea ist es vielleicht die Art und Weise, wie ich etwas formuliere – zum Beispiel welche Worte ich wähle oder welche Geschenke ich verteile..
Vom Nebeneinander zum Miteinander zu kommen braucht allerdings braucht oft noch mehr Zeit. Aber alles, was uns vom Gegeneinander wegbringt, dient dem Frieden in der Welt.
Man kann ganz klein anfangen damit. Zum Beispiel beim Teilen eines Christstollens.
Daher wünsche ich allen einen guten Appetit.
Frohe und gesegnete Weihnachten euch und Ihnen allen.
Amen.
Diakon Edgar, der Diakon mit der Mütze
Katholische Seelsorge in Korea www.dkgkorea.info