Keine Säulen, kein Marmor, kein Gold. Stattdessen ein lang gestreckter, die gesamte Palastanlage umgebender Wassergraben. Auf den ersten Blick erinnert die Residenz des Tennos, des japanischen Kaisers, wenig an den Wohnsitz der ältesten Erbmonarchie der Welt. In nichts entspricht die Palastanlage im Herzen von Tokyo, dem Glanz und der Größe eines Buckingham Palace.
Schlichtheit und Zurückhaltung regieren das Äußere. Die Zufahrten und vorgelagerten Plätze sind groß, aber leer. Alles wirkt, wie auf ein Minimum beschränkt.
Dieser Verzicht auf Prunk und jegliche Machtdemonstration wirkt auf mich umso erstaunlicher, als Hirohito, der Großvater des jetzigen Kaisers, noch bis zur japanischen Niederlage 1945 einen gottgleichen Status hatte. Der Tenno, der Kaiser, galt über Generationen als direkter Nachkomme der Sonnengöttin Amaterasu. Selbst in Bussen und Bahnen verbeugten sich die Untertanen, sobald sie am Palast vorbeifuhren.
Das ist heute vorbei, und inzwischen dürfen Normalsterbliche das Palastgelände sogar an einigen Tagen im Jahr besichtigen. Dieses Glück hatte ich noch nicht. Doch schon der Spaziergang um die gesamte Palastanlage herum, ist es Wert, hier gewesen zu sein.
Die hier erlebbare kaiserliche Schlichtheit und Zurückhaltung könnte Ansporn auch für andere Monarchien sein.
„Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lukasevangelium 2,7). Unser Gott geht noch einen Schritt weiter, ist bodenständig; und gerade auf diese Weise ein Gott, zu dem ich Du sagen darf.
Ein frohes Weihnachtsfest und eine besinnliche Weihnachtszeit wünscht,
Ihr und euer Pfarrer Mirco Quint.